future-Newsletter März 2011

21.03.2011

Interview mit Arnold Drewer, Innodämm zu seinem Ausbildungs- und Beschäftigungskonzept

Nachhaltigkeit bedeutet Vielfalt ? nicht zuletzt für die Gestaltung von Beschäftigung. Seit dem Start 1999 hat die Innodämm GmbH in Paderborn für eine Vielzahl von Altbausanierungen das Dämmmaterial geliefert, diese beraten und durchgeführt. Die in einem Großprojekt an über 50 Schulen der Stadt Köln eingesetzte Methode wurde mit dem ?Förderpreis NRW für nachwachsende Rohstoffe? ausgezeichnet, weil sie mit wiederverwertbaren Materialien arbeitet, für deren Produktion erheblich weniger Energie aufgewandt wurde als bei konventionellen Dämmstoffen. Die Unternehmensstrategie von Arnold Drewer, dem Mitgründer und Geschäftsführer des Unternehmens, verbindet den Klimaschutz mit besonderem sozialem Engagement für Ausbildung und Beschäftigung. Er erläutert im Gespräch mit dem future-Newsletter die wesentlichen Bausteine des Konzepts und was es für ihn bedeutet, "Verantwortung zu unternehmen".

Herr Drewer, für den Klimaschutz ist eine bessere Wärmedämmung bestehender Gebäude besonders wichtig. Sie bieten mit der Innodämm GmbH geeignete Baumaterialien, aber auch Service und Beratung zur energetischen Gebäudesanierung. Was ist das Besondere an Ihrem Angebot?

Wir arbeiten herstellerunabhängig und produktneutral und sind bei der Wahl unserer Materialien/Konstruktionen ausschließlich folgenden Grundsätzen verpflichtet:

  • Beachtung von Baurecht und Bauphysik;
  • bestmöglicher Wärmeschutz = bestmögliche Energieeinsparung = bestmögliche Heizkosteneinsparung = bestmöglicher Klimaschutz;
  • zu geringstmöglichen Kosten;
  • und der schlankesten Konstruktion ? falls dies bauseits erforderlich ist,

Unser Ziel ist es, die optimale Lösung für die Energieeinsparung für jedefrau und jedermann zu entwickeln und sie bezahlbar zu machen.

 

Sie haben die Fachkräfte für die Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen selbst ausgebildet. Warum?

Die Antwort ist einfach: Es gibt auf dem Markt solche Facharbeiter sonst nicht! Die vorhandenen Handwerker sind hervorragende Fachleute für Malerarbeiten (Maler), Zimmerarbeiten (Zimmerer, Holzbauer) und Trockenbauarbeiten (Trockenbauer). Sie beherrschen jedoch nicht die für den Altbau erforderlichen Dämmstoffe und Dämm-Verfahren - von Ausnahmen abgesehen.

 

Welche Ausbildung bekommen Ihre Mitarbeiter?

Innodämm bietet ein Ausbildungsangebot zum ?Dämmfachwerker?. Hier können sich vormals langzeitarbeitslose Menschen mit Migrationshintergrund mit ihren handwerklichen Fähigkeiten einbringen und sich in einem zukunftsträchtigen Berufsbild qualifizieren. Dabei setzen wir auf die praktische Ausbildung (?learning on the job?). Für eine weitergehende theoretische Ausbildung, die sicher wünschenswert ist, fehlt uns leider Zeit und Geld.

 

Welche Voraussetzungen bringen die Bewerber mit?

Sie bringen keine formalen Voraussetzungen mit! Unser Konzept beruht darauf, die Fähigkeiten und Erfahrungen des einzelnen Mitarbeiters zur Geltung zu bringen. Dabei sind die Ausgangssituationen ganz unterschiedlich, jüngere Menschen mit Migrationshintergrund sind anders einzubinden als ältere Arbeitnehmer, die schon länger auf der Suche nach einem Arbeitsplatz sind. Wir setzen auf die Vielfalt und den Willen zum Engagement der Mitarbeiter. Sie müssen arbeitswillig sein. Gut wäre auch, wenn sie beim Arbeiten ?den Kopf einschalten?, gedanklich so beweglich sind, dass sie den Anforderungen bei der Altbausanierung entsprechen können. Denn dabei muss sehr häufig improvisiert werden.

Wie bringen Sie diese unterschiedlichen Voraussetzungen im Betriebsalltag unter einen Hut? Gibt es eine besondere Unternehmenskultur?

Nein, leider nicht. Bei allen positiven Erfahrungen haben wir oft zu sehr auf die Personen vertraut bzw. ihre Loyalität. Diese ist leider von einigen grob missbraucht worden.

 

Lassen sich Ihre Erfahrungen mit diesem Beschäftigungskonzept auf andere Unternehmen übertragen?

Ja, durchaus! Mein Consulting-Unternehmen ?IPEG-Institut? bildet seit über einem Jahr Handwerker aus ganz Deutschland und dem angrenzendem Ausland aus (Schweiz, Frankreich, Belgien). Inzwischen arbeiten über zehn Handwerksbetriebe nach dem ?InnoDämm-Konzept? und es zeichnet sich ab, dass es noch mehr werden.

 

Sehen Sie aus Ihren Erfahrungen heraus Verbesserungsbedarf in den politischen Rahmenbedingungen für die Gestaltung nachhaltiger Arbeitsverhältnisse?

Ja, sehr. Allerdings lässt sich das nicht in wenigen Sätzen sagen. Einige Gedankensplitter dazu:

  • Der Markt der energiesparenden Altbausanierung kann bis zu 500 000 Arbeitsplätze schaffen. Dazu muss allerdings eine andere Energiepolitik, Beratungs- und Förderpolitik gefahren werden.
  • Die Ausbildung im Handwerk muss stark reformiert werden.
  • Es muss mehr Öffentlichkeitsarbeit zum Thema geben.
  • Die Anforderungen an die Arbeitskräfte müssen mit mehr Praxisbezug modifiziert werden.
  • Ausschreibungsverfahren müssen Kriterien der Nachhaltigkeit, insbesondere soziale Aspekte aufnehmen und positiv gewichten.