future-Standpunkt zur geplanten Reform der Erbschaftssteuer

Mit der Erbschaftssteuer steuern

Standpunkt von future-Vorstand Winfried Eismann zu einer nachhaltigen Erbschaftssteuer im August 2015

Die von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble initiierte Erbschaftssteuerreform findet besonders bei den Wirtschaftsverbänden und -lobbyisten keinen Gefallen ? egal wie groß die Kompromisse auch sind, die er für ererbtes Firmenvermögen einräumt. Die Gegner werden nicht müde, das Standardargument von der Gefährdung der Arbeitsplätze gegen die Steuer einzusetzen. Dabei ist kein einziger Fall bekannt, bei dem es zur Aufgabe eines Betriebes durch eine zu hohe Erbschaftssteuerbelastung gekommen wäre. Selbst aktuelle Recherchen bei den Verbänden wie dem Verband der Familienunternehmer und Kammern wie der IHK Nordrhein-Westfalen ergaben nichts, obwohl sich diese Verbände gegen die Reform aussprechen. Der taz-Journalist Ulrich Schulte suchte Erben, die das Finanzamt zum Verkauf zwang oder noch schlimmer, sie in die Insolvenz trieb. Nach fünf Wochen Recherche gab er auf. 15 Wirtschafts- und Handwerksverbände konnten keinen einzigen Firmenerben auftreiben, der aufgeben musste.

Dennoch wird gegen die geplante Erbschaftssteuerreform mächtig Stimmung gemacht. Die Firmen würden dramatisch belastet, sagt der Anführer des Protestes Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Mittel- bis langfristig werde es dadurch in Deutschland kaum noch Familienunternehmen geben prognostiziert er. Dabei kann der Finanzminister gar nicht anders: Er hat die Reform angeschoben, weil das Bundesverfassungsgericht die alte Regelung für grundgesetzwidrig hält.

Die bisherige Regelung, die die erste Große Koalition beschlossen hatte, war verfassungswidrig. Seit 2009 zahlte kein Firmenerbe Erbschaftssteuer, selbst wenn er einen milliardenschweren Großkonzern erbte ? wenn die Arbeitsplätze eine Zeitlang erhalten blieben. Zur Beurteilung muss man sich noch einmal den Sinn des Ganzen vor Augen halten: Die Erbschaftssteuer findet auch heute ihre Rechtfertigung in der erhöhten steuerlichen Leistungsfähigkeit des Erben sowie in der gewünschten Umverteilung von im Erbgang angehäuften Vermögen. Umverteilung wird als Schlüsselkriterium für gerechte, nachhaltig wirtschaftende Gesellschaften angesehen. Nicht erst seit Thomas Piketty und Robert Reich gilt die wachsende Ungleichheit als größtes Problem von Wohlstandsgesellschaften. Laut Piketty ist durch die übermäßige Ungleichheit in der kapitalistischen Wirtschaft die demokratische Grundordnung gefährdet, der ehemalige Clinton-Berater Reich legt in seinen Vorträgen dar, dass die wachsende Ungleichheit die USA immer wieder in die Rezession führt. Den Trickle-Down-Effekt, die Umverteilung von oben nach unten, das Argument für Gerechtigkeit durch reiche Oberschichten, konnte die Wirtschaftswissenschaft nicht nachweisen. Da ist die Erbschaftssteuer nur ein winziges Instrument der Umverteilung, aber sie ist immerhin eines.

In der Variante von Finanzminister Schäuble sollen Firmenerben stärker besteuert werden, aber das Firmenvermögen wird komplett verschont. Die Freigrenze ist großzügig, nur sehr reiche Firmenerben müssten die Steuer aus einem Teil ihres Privatvermögens bezahlen. Die von den Wirtschaftsverbänden und den süddeutschen Bundesländern bekämpfte Regelung hat Schäuble nun weiter aufgeweicht: Statt der ursprünglich geplanten Freigrenze von 20 Millionen Euro steigt diese auf 40 Millionen, wenn es um ein reines Familienunternehmen geht, das seine Gewinne nicht ausschüttet, sondern reinvestiert. Mit weniger als drei Angestellten bleiben Unternehmen komplett von der Steuer befreit, laut Finanzministerium fällt darunter die Hälfte aller Betriebe. Bei reichen Erben, die über der Schwelle liegen, zieht das Finanzamt zur Berechnung der Steuerschuld die Hälfte des vorhandenen und neu geerbten Privatvermögens heran. Wer sein Vermögen nicht offenlegen will, kann stattdessen den Steueranteil der Erbschaft erhöhen lassen ? das sei günstiger für den Erben, so das Ministerium.

Wie hoch die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer nach der Erhöhung der Freigrenze sein werden, ist fraglich. Schon die bisherige Freigrenze von 20 Millionen hätte schon 98 bis 99 Prozent der Erbfälle von der Steuer befreit. Fraglich ist auch, ob der neue Kompromiss überhaupt den Segen der Verfassungsrichter findet ? aber die Prüfung wird nach Beginn der Reform Anfang 2016 erst mal ein paar Jahre dauern. Ohnehin ist das Erbschaftssteueraufkommen mit vier Milliarden Euro pro Jahr recht übersichtlich.

Sinnvoll wäre stattdessen, die Ungleichbehandlung verschiedener Vermögensarten bei der Erbschaftssteuerregelung zu beenden. Warum sollte man Immobilien, Bilder oder Aktien anders besteuern als das ererbte Betriebsvermögen oder Firmenwerte? Einen sachlichen Grund dafür gibt es nicht. Im Sinne einer Entbürokratisierung der komplizierten Steuererhebung wäre dagegen die Besteuerung des Nachlasses vor der Verteilung auf die Erben, so wie es in vielen anderen Ländern üblich ist. Kombiniert man diese Nachlassteuer mit großzügigen aber zinspflichtigen Stundungstatbeständen (z. B. bei Liquiditätsengpässen und Großinvestitionen), reduziert sie den Verwaltungsaufwand erheblich und schafft eine einheitliche Besteuerungsgrundlage für alle Erben.

Angemessen wäre ein Erbschaftssteuersatz von 20 Prozent ab einem Freibetrag von zwei Millionen Euro, steigend auf den aktuellen Spitzensteuersatz von 42 Prozent bis zu einem Nachlassvolumen von 10 Millionen Euro. Etwa 80 Prozent der Nachlässe blieben wegen des geringen Volumens steuerfrei, lediglich 20 Prozent der Nachlässe würden mit wesentlich geringerem Verwaltungsaufwand besteuert werden und mindestens das gleiche Aufkommen liefern ? schließlich liefern auch heute schon 20 Prozent der Nachlässe den Hauptteil des Aufkommens. Damit blieben kleine und mittlere Unternehmen vom bürokratischen Aufwand und von der Steuer weitgehend verschont ? ein Vorschlag, den auch der andere nachhaltige Unternehmensverband in Deutschland, UnternehmensGrün, macht.

Mit dem Dämon der Arbeitsplatzvernichtung Stimmung gegen die Erbschaftssteuerreform zu machen, ist jedenfalls der falsche Weg. Das wäre auch mit einer Nachlasssteuer so. Sie wäre allerdings gerechter gegenüber den Erben und würde die Einnahmen erhöhen, weil sie den Aufwand geringer hielte. Eigentum an Familienbetrieben würde wie Anteile an Kapitalgesellschaften gleichbehandelt. Ein solches Steuerkonzept würde der wachsenden Ungleichheit begegnen ? ganz im Sinne einer zukunfstfähigen, nachhaltigen Entwicklung.

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