future-Standpunkt Januar 2015

Keine Nachhaltigkeit ohne Steuergerechtigkeit

Aktueller Standpunkt zur Verpflichtung zur Steuergerechtigkeit von Sabine Braun, Vorstandsmitglied future e.V. - verantwortung unternehmen

Die Erinnerungen an den Terrorakt in Paris waren noch frisch, als die Armutsstudie der Hilfsorganisation Oxfam Ende Januar eine immer rascher wachsende Kluft zwischen Arm und Reich konstatierte. Bereits im nächsten Jahr werde das reichste Prozent der Weltbevölkerung mehr besitzen als die restlichen 99 Prozent zusammen. Auch für Deutschland meldete das Statistische Bundesamt jüngst beunruhigende Zahlen: Mehr als drei Millionen Erwerbstätige leben unterhalb der Armutsschwelle, rund 25 Prozent mehr als vor sechs Jahren. Und das obwohl die Wirtschaft brummt und die Arbeitslosigkeit gering ist. Kein Wunder, dass Immer mehr Menschen meinen, es liefe etwas verkehrt. Diffuse Ängste treiben Bürger auf die Straße. Dort, wo die Chancenlosigkeit offensichtlich ist, wächst der Hass. Wir müssen dieser Entwicklung wehren, die unserem Wohlstand, unserer Freiheit und unserer Zukunft den Boden entzieht.

Steuergerechtigkeit ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Denn Steuern ermöglichen es dem Staat, in das Bildungswesen zu investieren und in die gesamte Infrastruktur ? beides brauchen Gesellschaft und Wirtschaft so dringend wie eine kluge Einwanderungspolitik. Ungleiche Bildungschancen, mangelhafte Integration und marode Straßen sind keine gute Basis für eine nachhaltige Entwicklung. Es kann deshalb nicht sein, dass multinationale Konzerne durch Steuerverlagerung so gut wie nichts an den Staat abführen und ein europäisches Land wie Luxemburg großen Unternehmen Vermeidungskonstruktionen mit Steuersätzen von bisweilen weniger als einem Prozent bietet, während Mittelstand und Handwerk fleißig Abgaben und Steuern zahlen. Zugleich werden große Erbschaften und Aktienvermögen nur moderat besteuert, während das Einkommen der Mittelschicht mit Spitzensätzen belegt und von der kalten Progression betroffen ist. Steuergerechtigkeit muss deshalb ein Thema werden, das selbstverständlich zum Kanon der Nachhaltigkeitsanforderungen gehört. Für die Zukunft bedarf es neben staatlicher Investitionen aber mindestens genauso sehr des Vertrauens der Menschen in Unternehmen und Institutionen. Auch dazu kann Steuergerechtigkeit beitragen. Dass der Anteil jener, die Regierung, Wirtschaft und Medien Vertrauen entgegenbringen, beim jüngsten Vertrauensbarometer von Edelman in Deutschland auf unter 50 Prozent fiel, belegt den Zweifel der Menschen an einer guten und gerechten Entwicklung.

Gefordert sind nun Politik und Wirtschaft. Die Politik muss für mehr Steuergerechtigkeit einerseits und eine rasche Integration der Flüchtlinge durch Zugang zu Bildung anderseits sorgen. Wenn auch der Dümmste verstanden hat, dass aus Einwanderern Arbeitnehmer und Steuerzahler werden, die unseren Staat und unsere Wirtschaft stützen, kann Vertrauen wieder wachsen. Die Wirtschaft wiederum muss sich klar aussprechen gegen Steuerschlupflöcher und aggressive Steueroptimierung und sollte sich zugleich abgrenzen von Topmanagern, die Gier und Maßlosigkeit verkörpern. Vor allem muss sie Integrität zur zwingenden Voraussetzung für Führungspositionen erklären und neue Vorbilder schaffen.

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