future-Standpunkt zum EU-USA-Freihandelsabkommen, Januar 2014

Kein Freihandelsabkommen ohne Nachhaltigkeit!

Standpunkt von future-Vorstand Karl-Heinz-Kenkel zum EU-USA-Freihandelsakommen (TAFTA/TTIP)

Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, kurz TAFTA oder TTIP genannt, beunruhigt die Menschen. Die Verhandlungen führt die EU-Kommission geheim, die wenigen "geleakten" Dokumente bestätigten bisher diese Sorgen. Befürchtet wird die Einfuhr von Chlorhühnchen, Hormonfleisch und Gentechnik nach Europa durch die Hintertür. Wie groß die Sorge und der Unmut bereits sind, zeigt der Stoppt TTIP-Appell von Campact: Über 320 000 Menschen haben die Kampagne unterstützt und diese, nach der Protestwelle gegen die Wasserprivatisierung in der EU, zur bisher erfolgreichsten der digitalen Protestplattform gemacht.

In den Medien ist in den letzten Monaten über TTIP berichtet worden und auch der Rat für Nachhaltige Entwicklung hat die Verhandlungen kritisch kommentiert. Als erste Wirkung der Proteste kündigte jetzt EU-Handelskommissar Karel de Gucht an, das umstrittene Investitionsschutzkapitel ISDS (investor-state disput settlement) auszusetzen und erst nach drei Monaten öffentlicher Anhörungen weiter zu verhandeln.

Damit ist für die EU-Kommission die Chance da, die Kritikpunkte öffentlich zu diskutieren und die vorgetragenen Bedenken gegebenenfalls zu entkräften. Bisher stützte sich die Kritik auf die Argumente von Nichtregierungsorganisationen aus Umwelt- und Verbraucherschutz. Und auch die Unternehmensverbände BDI und DIHT/IHK verfielen keineswegs in Euphorie.

Doch nachhaltig wirtschaftende Unternehmen, wie sie zum Beispiel ein Verband wie future repräsentiert, können das TTIP nicht unterstützen, ob nun Konzern oder KMU, und zwar aus mehreren Gründen.

Da ist zum einen die mangelnde Transparenz der Verhandlungen, die nicht zum Konzept einer gemeinsamen nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft passt. So müssen derart umwälzende Abkommen im Dialog mit allen Stakeholdern bewältigt werden, also auch mit den Vertretern des Mittelstands und der NGO. Allein die Akzeptanz eines solchen Vorgehens passt nicht zur Corporate Social Responsibility, zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen.

Des weiteren basieren die vorliegenden Studien über die zukünftigen Arbeitsplatz- und BIP-Zuwächse durch TTIP offenbar auf fragwürdigen Modellannahmen. Die erwarteten Zahlen wurden in mehreren Studien mehrmals erhöht. Die Frage ist, ob die geringen versprochenen Effekte bis 2027 nicht auch ohne TTIP eintreten könnten. In der Vergangenheit konnten Wachstumseffekte durch Freihandelsabkommen ohnehin nicht nachgewiesen werden.

Zum Investitionsschutz: Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen setzen bereits auf hohe Standards bei Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschutz und haben in entsprechende Maßnahmen investiert, die die gesetzlichen Vorgaben meist weit übertreffen. Sie treiben sich durch Nachhaltigkeitsberichterstattung, Nachhaltigkeitsziele und Beteiligung der Stakeholder stetig zu Verbesserungen an. Investitionsschutz ist für sie wichtig, aber eher für nachhaltige Prozesse und Produkte, als durch ein Freihandelsabkommen, das die jeweils geringsten Standards zur einklagbaren Basis macht. Wo bleibt für sie der Wettbewerbsvorteil durch nachhaltige Investitionen, wenn sich Unternehmen mit geringeren Standards per Schiedsgericht vermeintlich entgangene Gewinne einklagen können? Das betrifft wohlgemerkt Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks. Und die eingeklagten Summen zahlt jeweils die öffentliche Hand, die sich diese womöglich durch Erhöhung von Steuern zurückholen muss - wofür wiederum Bürger und Unternehmen zahlen. Nachhaltig ist das nicht.

Ein weiterer Aspekt: Die USA sind in der Finanzmarktregulierung nach dem Beginn der Krise 2007 wesentlich weiter als die EU. Großbanken und Finanzkonzerne hebeln diese mit dem Freihandelsabkommen wieder aus, in dem sie die geringeren EU-Standards beanspruchen. Die Risiken für Bankenkrisen wachsen erneut bis es zur nächsten staatlich finanzierten Rettung kommt. Die Leidtragenden sind dann wieder Unternehmen der Realwirtschaft, die kleinen und mittleren Unternehmen, die für ihre Investitionen aufgrund dann verschärfter Konditionen kein Geld von den Banken erhalten. Im Interesse nachhaltiger Unternehmen kann das nicht sein.

Auch das berüchtigte Hormonfleisch, Chlorhühnchen, gentechnisch modifizierte Lebens- und Futtermittel sowie Fracking können nicht im Sinne nachhaltig wirtschaftender Unternehmen sein. Nachhaltigen Produzenten und Händlern in diesem Bereich würde mit der Marktöffnung quasi die Geschäftsgrundlage entzogen, ihre bisherigen Investitionen und ihr Entwicklungsbeitrag zu einer nachhaltigen Wirtschaft wäre verloren. Was wir gerade mit der Reform der Energiewende erleben, wäre ein Kinderspiel im Vergleich zu dem, was mit erleichtertem Fracking auf die erneuerbaren Technologien zukäme.

Und wo steht die Nachhaltigkeit im Vertrag? Es ist nicht erkennbar, dass das Abkommen Bedingungen enthält, die den Klimaschutz voranbringen, wie es eigentlich nach dem fünften Bericht der UN-Klimakommission IPCC notwendig wäre, um gemeinsam das Zwei-Grad-Ziel der weiteren Erwärmung zu erreichen. Für das bleibt immer weniger Zeit, wodurch die Rechnung für die Bewältigung der Folgen immer höher steigt. Vielmehr geht es im Vertrag um die Nivellierung von Schutzstandards. Die Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung, auf Umwelt- und Ressourcenschutz, sind für TTIP noch gar nicht geprüft, sagt der Bericht des Berlin Forum on Global Politics.

Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen sind weiter als die Versprechungen des TTIP. Sie befinden sich mitten in der Debatte um Postwachstum, Degrowth, Sharing-Economy, weiteren Gesundheits- und Umweltschutz. Sie wollen weiter gehen und nicht zurück zu längst überholten Standards. Die Feinregulierung ihres Handelns nehmen sie lieber mit ihren Stakeholdern vor und nicht nach einem globalisierten Vertragswerk.

Ihre Forderung muss daher sein: Ein Freihandelsabkommen darf nicht hinter verschlossenen Türen entstehen, sondern nur in transparenter Verhandlung. Alle Entwürfe müssen offengelegt werden, die Stakeholder sind umfassend zu beteiligen und Nachhaltigkeit und Klimaschutz müssen angemessen berücksichtigt werden.

Ein Sustainable Agreement on Transatlantic Trade, ein Vertrag, der nachhaltige Produktion und Handel für Klimaschutz und gesellschaftliche Entwicklung beinhaltet, das wäre zustimmungsfähig für nachhaltige Unternehmen. Ein Vertrag wie TAFTA/TTIP ist es nicht.

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