future-Standpunkt zur Regierungsbildung, Oktober 2013

Politik für die Erreichung des Zwei-Grad-Ziels vereinbaren

Standpunkt von future-Vorstand Karl-Heinz-Kenkel zu den Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl 2013.

Die schlechte Nachricht lautet: Der Klimawandel wurde bisher unterschätzt: ?Es geht schneller, als wir dachten, und die Effekte sind stärker, als wir dachten." Mit diesen Worten kommentierte die Chefin des UN-Klimasekretariats in New York, Christiana Figueres, vor kurzem den aktuellen Stand der Forschungen des ?Weltklimarats?, wie die rund um den Globus verteilte Wissenschaftlergemeinschaft des IPCC (International Panel on Climate Change) gern genannt wird. Nach den jüngsten Ergebnissen ist davon auszugehen, dass der Anstieg des Meeresspiegels deutlich stärker ausfallen wird, als bisher prognostiziert. Lag die Voraussage beim letzten Sachstandsbericht 2007 noch bei 18 bis 57 Zentimetern, so schätzt man je nach Szenario jetzt, dass er um 26 bis 82 Zentimeter bis zum Jahr 2100 ansteigen wird.

Ohne hier auf die Einzelheiten des aktuellen IPCC-Berichts eingehen zu können, wird mit ihm doch deutlich, dass die bislang getroffenen Maßnahmen zur Verringerung des Treibhauseffekts nicht ausreichen, um diesen auf ein verträgliches Maß einzuschränken. Dabei gilt das international anerkannte Ziel, die Klimaerwärmung bis Ende des Jahrhunderts auf maximal zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.

Die gute Nachricht dazu: Deutschland kann es schaffen, bis zur Mitte des Jahrhunderts ?annähernd treibhausgasneutral? zu sein. Nach einer jetzt vorgestellten Studie des Umweltbundesamts (UBA) ist es mit der heute verfügbaren Technik möglich, den Treibhausgasausstoß im Vergleich zu 1990 um fast 100 Prozent zu vermindern. Dafür sei der Umstieg auf eine Energiewirtschaft, die vollständig auf Erneuerbaren Energien beruht, der zentrale Ansatzpunkt, aber auch in den Bereichen Mobilität, Abfallwirtschaft und Landwirtschaft seien weitere Beiträge zur CO2-Neutralität erforderlich, aber auch realisierbar.

Rücken wir vor diesem Hintergrund das derzeitige Berliner Politikspektakel um die Bildung einer handlungsfähigen Koalitionsregierung ins Bild, so fällt gleich auf: Hier ist die Klimaschutzneutralität bereits erreicht. Das Thema kommt schlicht nicht vor. Steuerpolitik, Mindestlohn und Pkw-Maut dominieren die Schlagzeilen. Das sind ohne Frage wichtige Themen, aber angesichts des IPCC-Berichts sollte der Klimaschutz einen deutlich höheren Stellenwert auf der politischen Agenda bekommen.

Dies gilt umso mehr, als sich in den letzten Monaten die Zeichen mehrten, dass das zentrale Förderungsinstrument für den Ausbau Erneuerbarer Energien, die EEG-Umlage, zur Disposition gestellt werden soll. Dagegen hatten wir uns im letzten Standpunkt bereits deutlich ausgesprochen und freuen uns über die jüngste Stellungnahme des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU), der sich auch für einen Umbau der EEG-Umlage ausspricht, der eine moderate Anpassung an die geänderten Marktbedingungen vorsieht.

Zu diesem wichtigen Baustein des Systemwandels in der Energiewirtschaft, der modifiziert erhalten bleiben muss, sollten die zukünftigen Koalitionäre den Mut aufbringen, eine entschlossene Klimaschutzpolitik zu vereinbaren, die der Förderung von Energieeffizienz noch mehr Gewicht gibt, beispielsweise zu den Stichwörtern: Kraft-Wärme-Kopplung und energetische Gebäudesanierung. Sie sollte auch die schon diskutierten Ansätze zu einem Klimaschutzfonds und dem Top-Runner-Programm wieder aufnehmen und in geeignete Maßnahmen umsetzen. Und nicht zuletzt: Das marktwirtschaftlichste und im Übrigen auch kostengünstigste Instrument der Klimaschutzpolitik, der Emissionshandel, darf in keiner Koalitionsvereinbarung fehlen ? mit einer klaren Ansage zur kalkulierbaren, kontinuierlichen Verknappung der Emissionsrechte.

Technisch, so lässt uns das UBA wissen, ist das alles machbar. Jetzt ist der Zeitpunkt, für Deutschland die passende Politik zu vereinbaren.

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