future-Standpunkt

Keine Nachhaltigkeit ohne Wertschätzung der Arbeit

?Das Herz unseres Managementsystems sind engagierte und motivierte Mitarbeiter, die sich an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen, sich mit den Zielen des Unternehmens identifizieren können und aktiv an ihrer Umsetzung teilnehmen?. So lesen wir es in den Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen, die verstanden haben. Um solche Strukturen, ein produktives Miteinander zu entwickeln, bedarf es sicher verschiedener Faktoren, die letztlich auch auf das einzelne Unternehmen zugeschnitten sein müssen. Doch eine Voraussetzung gehört sicher nicht dazu: ein Lohn- und Gehaltsniveau, das es der Mitarbeiterin und dem Mitarbeiter nicht erlaubt, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Wer so wenig verdient, dass es für die nötigen Lebensmittel, Miete, Strom und Heizung auch bei geringen Ansprüchen nicht reicht, der wird sich nicht so engagieren wollen und können, wie dies bei einem soliden Einkommen möglich wäre. Gedanken an fällig werdende Rechnungen, der Wunsch, den Kostenbeitrag für die anstehende Klassenfahrt der Tochter aufzubringen, oder ähnliche Probleme stehen einer konzentrierten Arbeitsleistung im Weg ? auch beim besten Willen, sich zu engagieren.

Andererseits stehen Unternehmen im Wettbewerb und müssen ihre Kosten im Blick haben. Jeder Arbeitsplatz, der erhalten oder geschaffen wird, ist wertvoll ? für das Unternehmen, die Gesellschaft und ? sicher nicht zuletzt ? für den Arbeitnehmer. Dies muss die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn beachten: Es dürfen keine Arbeitsplätze gefährdet werden. Mit diesem Argument sind manche schnell bei der Hand. Selten wird dabei eine nachhaltige Sicht der Verhältnisse deutlich. Denn in der Regel wird der Kostenfaktor Arbeit isoliert betrachtet. Nach wie vor steht er in der ersten Reihe, wenn es um Kostenbetrachtungen und Effizienzverbesserungen geht und nicht Fragen der Energie- und Materialeffizienz. Die hier verborgenen Schätze warten noch darauf, gehoben zu werden.

Das gehört zur Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung ebenso wie der respektvolle Umgang mit den Mitarbeitern. Wettbewerbsfähigkeit und Unternehmenserfolg basieren auf der Wertschätzung für ihr Engagement. Eine angemessene Entlohnung sollte sich daraus ergeben und sie sollte eine Schwelle nicht unterschreiten: Wer im Rahmen einer Vollzeitstelle seine Arbeit macht, muss davon auch leben können.

 

Vom Charme des Mindestlohns

In der überwiegenden Zahl der europäischen Länder wird dem Rechnung getragen durch gesetzlich verankerte Mindestlöhne. 20 von 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union haben nach meiner Kenntnis solche Regelungen. Die hierzulande vorgetragenen Bedenken, u.a. dass der gesetzliche Mindestlohn Arbeitsplätze koste, haben in diesen Ländern nicht überzeugt. Und das müssen sie auch nicht, wenn neben dem genannten Nachhaltigkeitsaspekt auch noch die aus meiner Sicht wichtigsten wirtschaftlichen Argumente ernst genommen werden: Mindestlöhne müssen nicht zwangsläufig Arbeitsplätze für gering qualifizierte Beschäftigte zu kosten, sie können vielmehr sinnvolle Anreize zu höherer Qualifizierung bieten. Außerdem bedeutet der Einkommenszuwachs am unteren Ende der Lohnskala zusätzliche Kaufkraft, die der Wirtschaft letztendlich wieder zugutekommt.

 

Einheitliche Untergrenze

Mit dem Beschluss des CDU-Parteitags zum Mindestlohn bewegt sich die Politik in die richtige Richtung. Grundsätzlich zu begrüßen ist dabei auch die Betonung der Tarifparteien für die Bestimmung des Lohnniveaus. Der Staat sollte nur dort eingreifen, wo diese nicht in Eigenregie tragfähige Lösungen finden können. Wo dies nötig ist, muss er dies allerdings auch mit ruhiger Hand tun. Dies gilt insbesondere für tariflose Branchen. Aber es gilt auch im Sinn einer einheitlichen Untergrenze für den Lohn: Nur wenn diese gesetzlich verpflichtend eingeführt wird, bekommen die Betroffenen Einkommen, die ihnen das Mindestmaß an gesellschaftlicher Wertschätzung aussprechen, weil sie eine Existenzsicherung ermöglichen.

 

Karl-Heinz Kenkel, Vorstand future e.V.

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